Überzogene Forderung einer Reisestorno-Versicherung

Überzogene Forderung einer Reisestorno-Versicherung

Ein Versicherungsvertrag sieht nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten – so genannte Obliegenheitspflichten - für den Versicherungsnehmer vor. Den Schaden möglichst gering zu halten, ist eine dieser Obliegenheitspflichten. Bei einer Reisestornoversicherung bedeutet das, die Reise zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu stornieren – denn je näher der Abreisetermin, desto höher die Stornokosten. Der richtige Zeitpunkt für eine Reisestornierung ist aber immer wieder strittig.

Im Mai des Vorjahres buchte Gerhard S. einen Türkei-Urlaub und schloss dafür auch einen Reise-Topschutz bei der Europäischen Reiseversicherung AG ab. Abreisetermin war der 15. Oktober 2010. Im September stellte sich heraus, dass Herr S. an seiner linken Hand operiert werden musste. Der Arzt habe ihn beruhigt, dass er bis zur Abreise längst wieder hergestellt sein würde, erzählt Herr S., doch knapp vor der Abreise, habe er sich noch einmal anschauen lassen, ob die Heilund gut voranschreite. Da habe ihm der Arzt gesagt, er würde ihm abraten, in die Türkei zu reisen. Er habe eine Wundstörung, was ganz selten auftrete und er würde ihm eher raten, diese Wundstörung noch einmal operieren zu lassen.

Nur 40 Prozent angebotener Ersatz

Herr S. stornierte also den Urlaub einen Tag vor der Abreise, informierte die Europäische Reiseversicherung AG. und erwartete, die Reisestornokosten – 90 Prozent des Reisepreises - minus Selbstbehalt, ersetzt zu bekommen. Aber die Versicherung weigerte sich. Ihrer Rechtsmeinung nach hätte die Reise bereits zum Operationstermin storniert werden müssen – da hätten die Stornokosten nur 40 Prozent betragen, mehr sei man nicht zu zahlen bereit. Daran änderte auch die Bestätigung des behandelnden Arztes nichts, in der es u.a. heißt: "Zum Zeitpunkt der Operation am 28.9.2010 war mit einer sicheren Wiedergenesung zum geplanten Reiseantritt Mitte Oktober 2010 zu rechnen."

Stellungnahme der ERV

Auch in ihrer Stellungnahme an help blieb die Europäische Reiseversicherung AG. dabei, dass Herr S. nur Anspruch auf 40 Prozent der Stornokosten habe. Bei operativen Eingriffen müsse nach ständiger Rechtssprechung stets mit Komplikationen gerechnet werden. Die Hoffnung, die Reise werde trotz des operativen Eingriffs durchführbar sein, sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst, so die Europäische Reiseversicherung AG.

Überzogene Forderung

Für help-Rechtskonsulent Sebastian Schumacher ist die Forderung der Versicherung nach der frühen Stornierung weit überzogen. "Wenn man diese Argumentation ernst nimmt," erklärt er, "so würde das zu dem skurrilen Ergebnis führen, dass jemand, der vor dem Reiseantritt an irgendeiner Erkrankung leidet, vorsichtshalber immer die Reise stornieren müsste, weil ja nie ausgeschlossen werden könnte, dass es zu irgendwelchen außergewöhnlichen Komplikationen kommt."

Nach Ansicht des Juristen muss eine Stornierung daher nur dann vorgenommen werden, wenn für den Versicherungsnehmer klar sei, dass er die Reise mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nicht werde antreten können. Auf die Befunde seines Arztes dürfe er sich dabei verlassen.

Schlichtungsverfahren

Wer in einem Gerichtsverfahren Recht bekäme, wissen wir nicht. Aber es gibt in Deutschland eine Ombudsstelle für Versicherungsfragen, wo solche Probleme im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens behandelt werden. Da Herr S. mit seinem Reise-Topschutz Versicherungsnehmer bei der Europäischen Reiseversicherung in Deutschland ist, kann er dieses kostenlose Schlichtungsverfahren auch in Anspruch nehmen.

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