Der Standard: CO2-frei oder nicht? Disput um Wohnprojekte beim Wiener Prater

Der Standard: CO2-frei oder nicht? Disput um Wohnprojekte beim Wiener Prater

Wegen hoher Energierechnungen gehen Bewohner der Wohnanlage "Korso" gerichtlich gegen ihren Bauträger vor. Beim Wohnturm "Grünblick" droht Ähnliches. Ein Artikel von Martin Putschögl im Standard vom 12.04.2025

Gleich neben den Stallungen der Trabrennbahn Krieau befindet sich seit ca. fünf Jahren die Wohnanlage "Korso" mit 179 freifinanzierten Eigentumswohnungen. Errichtet wurde sie von einer Tochtergesellschaft der Value One, die früher IC Development hieß und schon länger die Entwicklung der Liegenschaften zwischen Trabrennbahn und U-Bahn vorantreibt.

Ab 2019 wurde am Korso gebaut, und im selben Jahr gingen die Wohnungen auch in den Vertrieb. Dafür wurden bunte Broschüren gedruckt, in denen allgemein von "höchstem Standard" die Rede war. Die Energieversorgung werde durch ein "eigenes, nachhaltiges Kraftwerk" gewährleistet. Durch den "konsequenten Einsatz umweltfreundlicher Technologien" werde es hier "um 85 Prozent weniger CO2-Ausstoß gegenüber herkömmlichen Energieerzeugungsanlagen" geben. Der Heizwärmebedarf wurde im schon 2017 erstellten Energieausweis mit etwa 25 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a) angegeben. Ein Niedrigstenergiehaus.

2021 war das Gebäude fertig, die Wohnungen wurden bezogen, und anfangs war die Energieversorgung kein großes Thema, erinnern sich Bewohnerinnen und Bewohner. Doch dann kam Putins Ukraine-Feldzug, und dieser brachte enorme Ausschläge bei den Preisen für Öl und vor allem auch Gas. Und erstaunlicherweise trieb das auch die Wärmepreise im Korso massiv in die Höhe. Der Arbeitspreis für Wärme stieg bis 2023 um das Sechsfache, jener für Kälte gar um das Achtfache. Massive Nachzahlungsforderungen des Energieanbieters Energie Krieau waren die Folge; bei einer Wohnung summierten sie sich zunächst sogar auf mehr als 17.000 Euro. Das wurde dann von den Kraftwerksbetreibern auf 9000 Euro reduziert.

Aber wie konnte das überhaupt sein, wenn doch eine nachhaltige Wärmeversorgung versprochen wurde?

Orientierung am Gaspreis

Genau das wollten Bewohnerinnen und Bewohner wissen, begannen zu recherchieren und stellten rasch fest: Die Preise orientieren sich zu 87 Prozent am Gaspreisindex der europäischen Energiebörse EEX (European Energy Exchange) in Leipzig und zu 13 Prozent am Strompreisindex. So erhöhte sich der ursprünglich vereinbarte Nettopreis für Wärme von 0,1 Euro pro Kilowattstunde (kWh) auf 0,795 Euro, der Preis für Kälte stieg von 0,18 auf 1,102 Euro je kWh; also das Sechs- bis Achtfache der ursprünglich vereinbarten Preise.

So kamen "extrem hohe Abrechnungssummen" heraus, wie Anwalt Sebastian Schumacher sagt. Er hat im Auftrag von 20 Eigentümerinnen und Eigentümern Klage gegen die Energie Krieau eingebracht. Seiner Ansicht nach gibt es bei diesen Verträgen bzw. den darin verwendeten Klauseln gleich mehrere Punkte zu beanstanden. Er habe "noch nie solche Wertanpassungsklauseln gesehen", sagt er, sie würden "teilweise über eineinhalb Seiten gehen". Und es werde "auf Indizes verwiesen, die man nicht einmal im Internet findet". Es sei nicht möglich, die Werte nachzuvollziehen.

Konkret ortet er "sachfremde Indikatoren im Kleingedruckten", das widerspreche dem Paragrafen 864a des ABGB ("Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern"). Außerdem seien die beanstandeten Klauseln intransparent und missbräuchlich verwendet worden. Schumacher verweist etwa auf den Begriff "Winterhalbjahr", der im Vertrag verwendet wird. "Das ist ein schwammiger Begriff, niemand weiß, was damit genau gemeint ist", sagt der Anwalt dem STANDARD. Insgesamt werden fünf Klauseln beanstandet. Die Causa ist noch gerichtsanhängig.

"Adäquat, nachvollziehbar"

Vom Bauträger, der jetzt laut Firmenbuch direkt zur Seeberg Privatstiftung von Value-One-Gründer Michael Griesmayr gehört, heißt es: Es sei stets offengelegt worden, dass ein gewisser Gas-Anteil im Energiemix dabei ist. Und es handle sich um "adäquate, angemessene Indizes, die man im Internet auch findet", sie seien "für alle Beteiligten nachvollziehbar".

Überdies sei das Wohngebäude Korso "nicht als Niedrigenergiehaus mit ausschließlich grüner Wärmeerzeugung vom Verkäufer beworben worden", schreibt Walter Hammertinger, Geschäftsführer der Viertel Zwei Krieau GmbH, in einer Stellungnahme an den STANDARD, "sondern in erster Linie als hochwertiges Wohngebäude an einer einmaligen Lage in Wien, in einem autofreien Quartier, mit viel Grünanteil im Außenraum".

Im Übrigen betont er, dass man nicht der Energielieferant sei, sondern nur der Errichter des Gebäudes. Freilich gibt es aber wirtschaftliche und personelle Verflechtungen: Die Viertel Zwei Krieau GmbH gehört zu 100 Prozent der Seeberg Privatstiftung. Diese wiederum hält 75 Prozent an der BCE Beyond Carbon Energy Holding, auf deren Website man landet, wenn man energiekrieau.at im Browser eingibt. Eine Gesellschaft namens Energie Krieau findet sich im Firmenbuch nicht, allerdings eine Kraftwerk Krieau GmbH mit der Adresse Am Grünen Prater 2, die überwiegend einer "Pervenio" Beteiligungsmanagement GmbH gehört (sie steht genau so, mit Anführungszeichen, im Firmenbuch). Diese wiederum gehört einer "Quiesco" Privatstiftung, Stifterinnen und Stifter sind Mitglieder der Familie Hetzel. Sie hält 25 Prozent an der BCE Beyond Carbon Energy Holding GmbH.

Fossile Energie "nie vereinbart"

Bei Letzterer wurden im Herbst 2024 neben den bestehenden Managern Michael Griesmayr und Herbert Hetzel zwei weitere Geschäftsführer installiert. Das Unternehmen wurde aus diesem Anlass in einer Aussendung als "Pionier im Bereich der emissionsfreien Wärme- und Kälteversorgung für Immobilien" bezeichnet. "Beyond Carbon Energy mit Sitz in Wien konzipiert, plant, realisiert, finanziert und betreibt bereits seit über fünfzehn Jahren CO₂-freie Wärme- und Kälteversorgung von Bestands- und Neubauimmobilien durch die Nutzung regenerativer Standortressourcen", ist darin weiters zu lesen. Aus einer Abrechnung für das Jahr 2022, die dem STANDARD vorliegt, steht dann allerdings: "Die Gesamtenergiebereitstellung setzte sich aus 64 Prozent fossiler und 36 Prozent erneuerbarer Energie zusammen."

In der erwähnten Stellungnahme heißt es nun, dass "in der Zwischenzeit neue Tarifstrukturen ohne die umstrittene Gaspreisbindung vom Energielieferanten angeboten sowie Infoveranstaltungen durchgeführt" worden seien. Und: Es werden "nach Aussage des Energieversorgers jedenfalls ab dem 2. Halbjahr 2025 die Wohnungen mit 100 Prozent CO₂-freier Wärme und Kälte versorgt werden".

Für Anwalt Schumacher ist es letztlich aber nicht relevant, welche Energieträger die Energie Krieau verwendet, sondern was genau den Eigentümerinnen und Eigentümern "verkauft" wurde. Aus dem Energieausweis, der den Verkaufsunterlagen beigelegt wurde, geht hervor, dass das Gebäude Niedrigstenergiestandard erreichen sollte. "Dass hier fossile Energie im Spiel ist, die man teuer einkaufen muss, und diese teuren Preise an die Kunden weitergibt, das ist nie vereinbart worden", sagt Schumacher.

Verträge und Nachträge

Den Anwalt beschäftigt seit kurzem außerdem nicht mehr nur das Korso, sondern auch der Wohnturm namens "Grünblick". Er wird gerade fertig gebaut, ebenfalls von der Viertel Zwei Krieau GmbH, direkt vis-à-vis des Praterstadions, einen Steinwurf vom Korso entfernt. Ein Wohnturm mit 90 Metern Höhe und 340 Eigentumswohnungen, von denen mittlerweile die meisten verkauft werden konnten.

Auch beim Grünblick gibt es einen Wärme- und Kälteliefervertrag, den der Bauträger mit der Energie Krieau im Jahr 2021 abgeschlossen hat und in den jede Käuferin und jeder Käufer einwilligen musste bzw. muss.

2022 lagen dem Bauträger die "technischen Detailplanungen" vor, deshalb wurde ein "1. Nachtrag" zum Energieliefervertrag aufgesetzt. Er liegt dem STANDARD vor. In diesem wurden die Preise zunächst sogar teilweise nach unten angepasst.

Doch Ende 2024 verschickte der Bauträger einen "2. Nachtrag zum Energieliefervertrag", in dem auf die "dynamischen Entwicklungen auf den Energiemärkten" Bezug genommen wird. Und hier folgte dann der Preishammer: Aus diesem Vertrag geht hervor, dass sich der Grundpreis für Wärme indexiert bereits von 1,702 auf 3,02 Euro je Quadratmeter erhöht hatte, der Arbeitspreis Wärme von 0,057 Euro auf 0,24 Euro je Kilowattstunde.

Welcher Heizwärmebedarf?

Der Bauträger machte aber gleichzeitig einen neuen Vorschlag: Man möchte auf einen Grundpreis je Quadratmeter umsteigen. Das ergibt in den mitgelieferten Beispielrechnungen im Endeffekt zwar tatsächlich niedrigere Preise, aber sie sind dennoch weit über dem ursprünglich vereinbarten Niveau.

Und was Anwalt Schumacher ebenfalls irritiert: Für eine Beispielrechnung wurde dabei ein Heizwärmebedarf von mehr als 70 kWh/m²a gewählt. Lässt das darauf schließen, dass die Werte aus dem Energieausweis weit verfehlt werden?

Konkrete Fragen zum "Grünblick" wurden nicht beantwortet. Nach Informationen des STANDARD werden derzeit Käuferinnen und Käufer aber zu Gesprächen über den Energieliefervertrag eingeladen. Mehrere von ihnen haben den 2. Nachtrag nämlich noch nicht unterschrieben – und stattdessen Anwalt Schumacher kontaktiert. Er hat den Bauträger zunächst schriftlich dazu aufgefordert, die aus seiner Sicht rechtswidrigen Klauseln nicht mehr zu verwenden. Ausgang ungewiss. (Martin Putschögl, 12.4.2025)

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